Zum Abschied

Jessy ist am 21.4.2012 im stolzen Alter von ca. 16 Jahren und trotzdem zu früh über die Regenbogenbrücke gegangen.

Wie alles anfing

Ich weiß es noch wie heute als Du zu mir kamst. Die Polizei hatte angerufen, dass ein Hund allein in einer Wohnung sitzt und dort rausgeholt werden muss. Mutig brachen die Polizisten die Tür auf und ließen mir und dem damaligen Hundewart des Tierschutzvereins großzügig den Vortritt beim Betreten der Wohnung. Wir wußten ja nicht, was uns dort erwarten würde. Naja, groß und schwarz warst Du ja schon - aber mindestens genauso dünn und verängstigt. Und heilfroh, dass endlich jemand kam. Der Versuch, Dich ins Tierschutzauto in die Box zu packen scheiterte kläglich. Totalverweigerung! Also kam die Katze, die wir auch aus der Wohnung befreiten in die Hundebox und Du in den Fußraum zwischen meine Füße.

Zu vermitteln

So kamst du als Pflegehund zu mir und solltest vermittelt werden. Ziemlich schnell stellte sich heraus, dass so einen Hund keiner wollte. Alleine bleiben ging gar nicht, Türen öffnen war überhaupt kein Problem, selbst Riegel und herumgedrehte Türgriffe hielten Dich nicht auf. Und wenn man die Tür abschloß, hast Du sie kurzerhand aufgefressen. So anhänglich Du im Haus warst, so freiheitsliebend warst Du draußen. Die 300m zur Reithalle zu rasen und dort Pferde - am liebsten mit Reitern drauf - zu jagen, war nur eine von vielen schlechten Angewohnheiten. Vögel jagen, Menschen umkreisen und anbellen, Radfahrer und Jogger verfolgen gehörte auch zu Deinen Hobbys.

Dafür konntest Du mit Deinen damals ca. 2 Jahren aber überhaupt nichts brauchbares. Nicht mal ein einfaches Sitz! Und wenn man die Leine in die Hand nahm, bist Du zusammen gezuckt und hast Dich auf die Erde gedrückt.

Die paar Interessenten, die sich für Dich interessierten, waren wir also gleich wieder los.

Training, Training, Training

Also entschloß ich mich, mit Dir zu trainieren, da Du so nicht vermitttelbar warst. Oh Jessy, Du warst ein harter Brocken. Da Du wohl nie gelernt hattest zu lernen war es auch bei gutem Willen Deinerseits gar nicht so einfach, Dir etwas beizubringen. Ich sage nur "FISCH". Mein Versuch, Dir das bellen auf Kommando beizubringen dauerte mehrere Monate, gelang zwar schließlich doch noch, aber das Signal dafür war Dein Leben lang eben "FISCH", weil Du immer mit großen staunenden Augen aber ohne Ton fragend dagesessen hast.

Nach und nach wurde es immer besser mit dem Lernen und nach einem halben Jahr warst Du "vermittlungsbereit".

Du darfst bleiben

Und dann hattest Du eine ernsthafte Interessentin. Die Vorkontrolle war gelaufen und am nächsten Tag sollte es ernst werden. Ich hatte damals schon Momo und Mini und eigentlich mit zwei Hunden genug zu tun. Aber durch das intensive Training mit Dir warst Du mir so an's Herz gewachsen, dass ich es nicht über mich brachte, Dich zu vermitteln.

Nach reiflicher Überlegung und gegen jede Vernunft entschloss ich mich, dich zu behalten. Damals ahnte ich noch nicht, was für einen tollen Hund ich so viele Jahre haben würde.

Und noch mehr Training

Also unterschrieb ich den Vertrag beim Tierschutzverein und ab sofort warst Du mein Hund. Wir fingen an mit Agility und hörten damit auch wieder auf, weil es immer noch ziemlich langwierig war, Dir etwas beizubringen. Dafür arbeiteten wird am "Alltagsgehorsam" weiter und so war es bald so, dass ich Dich problemlos überall mit hin nehmen konnte. Das Einzige, was sich nur sehr zögerlich besserte, waren Deine Verlassensängste. Du konntest fast nicht alleine bleiben und so nahm ich dich immer mit.

Nach drei Jahren waren wir so weit, dass ich Dir sogar erlauben konnte, ein paar Meter hinter einem Hasen herzulaufen und dich dann abzurufen. Einfach toll. Ich war so stolz auf Dich. Und dann kam der Tag, an dem Du Dich entschlossen hast, doch noch Agility zu machen. Inzwischen warst Du durch das ständige Training sehr schnell beim Lernen und so machten wir schnell Fortschritte. Ich baute das Training nochmals ganz von vorne auf und wir standen bei vielen Spaßturnieren auf dem Siegertreppchen! Da wir immer schonend trainiert hatten, konntest Du bis ins hohe Alter bis vor ca. 2 Jahren Agility betreiben. Zwar warst Du nicht mehr so schnell, aber zur Vorführung im Unterricht war Deine Zeitlupe immer sehr hilfreich.

So ein toller Hund - den würde ich auch nehmen

Ich weiß nicht, wie oft ich diese Bemerkung gehört habe. Es stimmt, Du warst so ein toller Hund. Du kamst mit allen Hunden gut aus - auch wenn Du sie nicht gebraucht hättest, damit Du ALLE Leckerlis bekommst. Du kamst mit den Katzen zurecht und konntest die Menschen bezircen. Im Kindergarten und in der Schule hast Du dafür gesorgt, dass die Kinder keine Angst mehr vor dem großen schwarzen Hund hatten. Es kamen jetzt wirklich total entspannte Jahre, weil man sich nie sorgen mußte, dass Du irgendeinen Blödsinn machst.

Du bist immer entspannt an lockerer Leine gelaufen, hast mich toll beim Unterricht in der Hundeschule unterstützt und hast mir gezeigt, mit wieviel Freude ein Hund auch im hohen Alter noch lernen kann, selbst wenn er es als junger Hund gar nicht gelernt hat. NEIN - DICH HÄTTE ICH NIE MEHR HERGEGEBEN!

Besonderheiten

Jeder Hund ist besonders. Eine einzigartige Besonderheit bei Dir war: Du konntest so wunderbar mit den Zähnen klappern! Wenn Du Dich ganz doll gefreut hast oder ganz viel Angst hattest, dann hast Du ganz laut mit den Zähnen geklappert. Ich kenne so viele Hunde - aber keinen, der das macht.

Und ganz besonders süß warst Du, wenn Du Dich verliebt hast. Wie gesagt - normalerweise brauchtest Du keine anderen Hunde, aber so kleine schwarz-weiße Bordercollies haben Dich oft regelrecht angeturnt. Da bist Du dann selbst im hohen Alten noch in Welpenverhalten gefallen, hast Spielaufforderungen gemacht und Herzchen über dem Kopf schweben gehabt.

Tja - und dann war da noch Dein Schnarchen. Das tun ja viele Hunde. Aber Du konntest es besonders schön und auch sehr laut.

Entgegen so mancher Expertenmeinung konntest Du sehr gut durch Zuschauen lernen. Wenn ich mit einem anderen Hund trainiert habe und Du warten mußtest, wurdest du irgendwann ungeduldig. Habe ich Dich dann gelassen, hast Du das gemacht, was der andere Hund gerade geübt hat. So nach dem Motto: "Lass mich mal, ich weiß es schon!".

Ach Jessy, was soll ich hier noch alles aufzählen. Für mich warst Du immer etwas ganz Besonders.

Das Alter

Du warst entsprechend dem Vorurteil, dass Mischlinge immer die gesündesten Hunde sind, tatsächlich nie krank. Außer Deiner Kastration und der jährlichen Impfung brauchtest Du keinen Tierarzt. Vor drei Jahren hattest du dann einige sehr schnell wachsende bösartige Melanome, die operiert werden mussten, aber nach einer homöpathischen Kur trat da nichts mehr auf.

Natürlich ließen Augen und Ohren nach - besonders letztere, was ich durch den "Kühlschranktürtest" gut nachweisen konnte. Und man mußte Dich öfter mal anstupsen, damit Du wach wurdest.

Deinem Alter entsprechend gab es natürlich auch ein paar Probleme mit den Gelenken und dem Rücken, die wir aber mit Spritzen und Schmerzmittel gut im Griff hatten. Du wolltest immer mit laufen, wenn auch nicht mehr so schnell.

Zwei langsam wachsende Tumore störten nicht weiter und richtig ernst wurde es erst wieder im letzten Dezember, als Du einen Schlaganfall hattest. Du konntest zwar noch aufstehen, bist aber leicht umgefallen und es ging nur noch mal kurz raus zum Geschäft erledigen. Als der Arzt sagte, dass wir Dich bis Ende Dezember wieder gut hinkriegen, konnte ich es kaum glauben. Aber tatsächlich! Im Januar bist Du wieder große Runden mitgelaufen, hast den Kopf wieder gerade gehalten und warst eigensinniger als je zuvor. Alle haben gestaunt!

Der Abschied

Am Freitagabend noch Fressen geklaut, am Samstagmorgen noch eine große Runde gelaufen, am frühen Samstagnachmittag noch vergnügt mit allen auf dem Hundeplatz bist Du leider am Samstagnachmittag zusammengebrochen.

Leider konnte die Tierärztin mir keine Hoffnungen mehr machen und als ich den Schmerz in Deinen Augen sah, wußte ich, dass Du nicht mehr wolltest und entschloß mich Dich mit Hilfe der Tierärztin einschlafen zu lassen. Mit Deinen Kopf in meinen Armen bist Du dann friedlich eingeschlafen.

Es ist schön, dass Du bis zuletzt fröhlich warst, mitmachen konntest und nicht lange leiden mußtest - obwohl ich Dich gerne noch ein bißchen behalten hätte.

Jessy - ich werde Dich nie vergessen. Ich hoffe, Du kannst im Hundehimmel rennen und toben und triffst alle wieder, die schon vor Dir gegangen sind. Grüß sie alle und schick mir ab und zu einen Gruß, so wie die anderen das auch tun. :-)

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Kommentare: 4
  • #1

    Brigitte Schönewald (Montag, 23 April 2012 15:30)

    Liebe Claudia, das tut mir so leid und ich weiß, wie schmerzlich der Abschied ist.
    Hinter der Regenbogenbrücke wird es ihr bestimmt gut gehen.
    Ganz traurige Grüße
    Brigitte

  • #2

    Martina Weitzel (Montag, 23 April 2012 16:23)

    Liebe Claudia, das tut mir leid für Dich. Auch ich kann deinen Verlust nachempfinden und wünsche dir deshalb viel Kraft und, aber auch Ablenkung.
    traurige Grüße
    Martina

  • #3

    Cornelia Heise (Montag, 23 April 2012 21:24)

    Liebe Claudia, so ein schöner und bewegender Nachruf auf eine wunderbare Hündin... Ich bin sicher, sie passt von oben auf ihr Rudel auf. Es ist immer zu früh und immer sehr schmerzlich, ich drücke dich ganz fest!
    Run free, liebe Jessy!
    Mit Tränen in den Augen
    Connie

  • #4

    Tina und Torsten (Dienstag, 24 April 2012 23:50)

    Liebe Claudia, auch wir hatten wirklich feuchte Augen bei diesem Nachruf. Wir wünschen Dir viel Kraft und der kleinen Maus alles Gute auf der anderen Seite der Regenbogenbrücke.
    Herzliche Grüße aus Frankfurt

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Mi

16

Okt

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